Was ist das eigentlich für ein Stück „Die Odyssee“

Nach „Troja“ nun das Sequel – KjG Theater spielt „Die Odyssee“. Wir haben Regisseur Tom Brill gefragt, was „Die Odyssee“ eigentlich so ausmacht.
Was kann der Zuschauer bei „Die Odyssee“ erwarten?

„Die Odyssee“ gehört ja zu dem Stoff, von dem jeder einmal etwas gehört hat. Ganz viele Bilder sind einem bekannt und werden in der Literatur bis heute weiter verarbeitet: sei es der Kyklop „Polypherm“, dem Odysseus sein (einziges) Auge aussticht, um sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien, seien es die „Sirenen“, die mit ihrem lieblichen Gesang vorbeifahrende Schiffe in den Untergang treiben. In der Erzähl-Logik unseres Stückes „Troja“, tauchen wir aber nicht in die fabelhafte Mythenwelt ein, sondern erzählen die Geschichte so, als hätte sie tatsächlich geschehen können.

Das scheint aber doch bei den sehr mytischen Gestalten ein gewagtes Unterfangen.

Den „Trick“, den wir angewandt haben ist, dass Odysseus seine Geschichte dem Dichter Homer erzählt. Sein Bericht liefert in unserer Erzählung so zusagen die Vorlage für dessen „Odyssee“. So können wir uns von der Vorlage befreien und uns auf „echtere“ Bilder fokussieren.

Aber geht dem Stoff damit nicht seine zauberhafte und metaphorische Kraft verloren?

Im Gegenteil, sie gewinnt damit noch an Bedeutung. Denn wir verstehen plötzlich viel besser, was das Großartige an dem einzigartigen Werk von Homer ist, warum es auch heute noch, nach so vielen Jahrtausenden, eine Bedeutung hat.

Und die wäre?

„Die Odyssee“ ist nichts Geringeres als ein Sinnbild für das Leben. Und Homer hat sich getraut einen Held als Vorbild zu nehmen, der eigentlich stets scheitert und „schlechte“ Entscheidungen trifft. Aber irgendwie gelingt es diesem Odysseus immer wieder, sich in den Sackgassen, in die er sich reinmanövriert, neu auszurichten und seinem eigentlichen Ziel zu folgen. Es ist am Ende ja auch die unglaubliche Liebesgeschichte zwischen Penelope und ihm. Penelope wartet 20 Jahre auf seine Rückkehr, einfach, weil sie an ihn glaubt, ihn nie aufgibt.

Aber wie finden sich die ganzen fabelhaften Welten der Nymphen und mystischen Wesen wieder?

Wie immer haben Mythen ihre Ursprünge in Tatsachen. Wir haben es sozusagen von der Mythologie auf denkbare solcher Tatsachen zurückentwickelt. Man trifft also alle Charaktere wieder, die man aus der Odyssee kennt; aber eben nicht so, wie man sie von Homer kennt, sondern so, wie es sich vielleicht wirklich hätte zutragen können.

Mit „Troja“ gab es eine starke Botschaft. „Troja“ war ein Anti-Kriegs-Stück und hat eine enorme gesellschaftliche Relevanz, insbesondere für unsere Zeit gehabt. Hat „die Odyssee“ so etwas auch?

Klar hat sie Botschaften, die aber universeller sind. Es geht dieses Mal nicht so sehr um gesellschaftliche Themen, vielmehr um etwas, was jeden Menschen persönlich betrifft. In diesem Odysseus und seinen Gefährten erkennen wir uns an ganz vielen Stellen wieder. Aber er macht uns auch Mut. Penelope macht uns Mut. Mut, nicht zu verzagen, sondern das Leben zu leben.

Mit einem Blick auf den Saalplan erkennt man mal wieder ein ungewöhnliches Bühnen Set-Up. Kannst du zum Bühnenbild schon etwas sagen?

Das Bühnenbild ist ein ziemlicher Kraftakt für uns. Nicht, weil die Aufbauten so aufwendig wären, sondern aufgrund seiner Größe und der doppelten Bespielung. Es gibt ja zwei Zuschauerblöcke. So viel Lichttechnik haben wir bei noch keinem anderen Stück eingesetzt. Aber es beitet eben auch sehr schnelle und sanfte Übergänge zwischen den Szenen. Es bietet stets neue visuelle Angebote an, so dass der Zuschauer immer wieder Neues entdecken kann. Im Zentrum steht das Schiff, das eingerahmt ist von der „Inselbühne“, auf der die vielen Abenteuer stattfinden, und dem „Turm der Penelope“, zu dem wir immer wieder zurückgebracht werden, um zu sehen, wie sie die Abwesenheit ihres Mannes erlebt und welche Herausforderungen die Belagerung durch die Prinzen der umgebenden Fürstenreiche für sie hat.

Das hört sich nach vielen Schichten und Ebenen an?

Das stimmt. Insgesamt haben wir drei Handlungsstränge, die sich immer wieder kreuzen.

Wie lange dauert das Werk denn?

Geschwindigkeit und Kurzweiligkeit waren sehr wichtig. Trotzdem brauche wir 150 Minuten, um der Geschichte auch ihre Wirkung zu geben. Also mit Pause muss man knapp 3 Stunden einplanen.

Ab welchem Alter ist das Stück denn geeignet?

Mir fällt es immer schwer, so etwas einzuschätzen. Aber es ist kein „Kinderthema“, wie etwa „Die kleine Hexe“ oder „Momo“. Es gibt schon die ein oder andere brutale Szene, eine ganze Menge Erotik etc. Ich denke, dass man es ab 12 Jahren gut sehen und nachvollziehen kann.

Erstmals seit Langem spielt ihr nicht im Gemeindesaal. Warum?

Die Jugendkirche Tabgha und wir sind eine Partnerschaft eingegangen. „Die Odyssee“ wird Bestandteil des Jahresprogramm von Tabgha. Der Spielraum ermöglicht uns ganz neue Möglichkeiten, mit denen wir experimentieren können. Die Tiefe und Höhe des Raums sind besonders.

Aber ihr spielt in einer Kirche. Stößt da nicht manches an?

„Die Odyssee“ spiegelt das Leben wieder. Sie ist eine Metapher dafür. Und wo gehört „das Leben“ hin, wenn nicht in eine Kirche?