Bei dem berühmten Ausbruch des Helgafell, eines Vulkans auf der Insel Heimaey, live übertragen von einem Dutzend hustender Fernsehteams, sah ich, unter dem Schwefelregen, einen älteren Mann in Hosenträgern, der, achselzuckend und ohne sich weiter zu kümmern um Sturmwind, Hitze, Kameraleute, Asche, Zuschauer (unter ihnen auch ich vor dem bläulichen Blildschirm auf meinem Teppich), mit einem Gartenschlauch, dünn aber deutlich sichtbar, gegen die Lava vorging, bis endlich Nachbarn, Soldaten, Schulkinder, ja sogar Feuerwehrleute mit Schläuchen, immer mehr Schläuchen, gegen die heiße, unaufhaltsam vorrückende Lava eine Mauer aus naß erstarrter kalter Lava höher und höher türmten, und so, zwar aschgrau und nicht für immer, doch einstweilen,, den Untergang des Abendlandes aufschoben, dergestalt, daß, falls sie nicht gestorben sind, auf Heimaey, einer Insel unweit von Island, heute noch diese Leute in ihren kleinen bunten Holzhäusern morgens erwachen und nachmittags, unbeachtet von Kameras, den Salat in ihren Gärten, lavagedüngt und riesenköpfig, sprengen, vorläufig nur, natürlich, doch ohne Panik.
Der Untergang der Titanic, Hans Magnus Enzensberger, Frankfurt am Main, 2019