Archiv der Kategorie: Gedanken zum Stück

Fundstück 401/07

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

Die Geschichte des Bäckers Charles Joughin ist eine der bemerkenswertesten Überlebensgeschichten des Titanic-Unglücks. Joughin trank während des Untergangs eine erhebliche Menge Alkohol, insbesondere Whiskey. Dies ist ein wichtiger Teil seiner Geschichte, da es möglicherweise dazu beigetragen hat, dass er die Kälte des Wassers besser ertragen konnte. Alkohol erweitert zwar die Blutgefäße und kann so das Gefühl von Wärme erzeugen, aber es erhöht auch das Risiko von Unterkühlung. Joughin behauptete jedoch später, dass er sich durch den Alkohol “kaum kalt” gefühlt habe, als er ins Wasser sprang. Nachdem die Titanic gesunken war, trieb Joughin im eisigen Nordatlantik. Berichten zufolge hielt er sich über zwei Stunden im Wasser auf, was außergewöhnlich ist, da die meisten Menschen aufgrund der extrem niedrigen Wassertemperaturen innerhalb von Minuten starben. Joughin klammerte sich an ein umgekipptes Rettungsboot (Collapsible B) und konnte sich letztlich darauf ziehen. Joughin wurde schließlich von einem der Rettungsboote, das zur Rettung zurückkehrte, an Bord geholt. Er war einer der letzten Überlebenden, die aus dem Wasser gezogen wurden, und kam trotz der langen Zeit im Wasser mit relativ geringen Verletzungen davon.

Inspiriert von dieser Geschichte ist Iwan Pawlowitsch an Bord unserer Titanic. Im Angesichts des Untergangs sucht er nach kreativen Ideen und hofft auch, dass der viele Alkohol ihn „wärmt“.

Fundstück 401/06

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

J. Bruce Ismay war Geschäftsführer der White Star Line. Er stieg in eines der letzten Rettungsboote ein, was ihm schwere Kritik einbrachte. Manche behaupteten, dass er als Verantwortlicher der White Star Line nicht hätte fliehen dürfen, sondern an Bord hätte bleiben sollen. Ismay verteidigte sich später, indem er erklärte, er habe nur einen Platz in einem fast leeren Boot eingenommen, nachdem niemand anders mehr einstieg.

In unserem Stück übernimmt Mel Jester diese Rolle, jedoch als Vorsitzende der Bank, die die Titanic finanzierte. Dies verweist auf eine weitere historische Tatsache: Die Titanic wurde von der Bank J.P. Morgan und deren International Mercantile Marine Company (IMM) finanziert. J.P. Morgan hatte durch die IMM direkten Einfluss auf die Finanzierung und den Bau der Titanic. Seine finanzielle Unterstützung und sein Interesse an der Expansion der Schifffahrtsindustrie waren entscheidend für das Projekt. Die IMM fungierte im Wesentlichen als der finanzielle Rücken der White Star Line und stellte die notwendigen Mittel für den Bau der Titanic bereit.

Dein ist die Zeit

Immer wieder betonen wir, dass unser Stück NICHT historisch ist und alle Figuren frei erfunden sind. Und doch sind alle Figuren inspiriert von den Ereignissen des 14.04.1912. Uns ist das Gedenken an die Opfer wichtig. Und nicht nur an die besonderen Opfer der Titanic Katastrophe, sondern auch an alle Opfer menschengemachter Katastrophen.

Ab dem 01.11. verwandelt sich die Kerzenkapelle von St. Joseph in eine besondere Gedenkkapelle: Auf fünf großen Tafeln sind alle Passagiere und Crewmitglieder gelistet, inklusive Alter, Klasse und dem Hinweis ob die Person in der Nacht verstorben ist.

Wir laden euch ein, für diese Opfer zu beten. Aber auch für alle anderen, die Opfer von Katastrophen geworden sind. Herzliche Einladung, dort eine Kerze anzuzünden und ein wenig in Ruhe zu verweilen.

Dein ist die Zeit.

Fehlerkorrektur: Das Datum des Untergangs (14.04.) wurde korrigiert. In der Ursprungsfassung des Beitrags war es irrtümlich der 14.12.

Fundstück 401/04

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

Die Geschichte der „Addergoole 14“ gehört zu den traurigsten „Titanic“-Geschichten. 2023 wurde sie von Netflix in der bewegenden Dokumentation „Waking the Titanic“ verfilmt. Eine Frau namens Catherine McGowan, die bereits in die Vereinigten Staaten ausgewandert war und sich dort zur erfolgreichen Geschäftsfrau hochgearbeitet hatte, organisierte die Reise für 13 weitere Menschen aus dem irischen Ort Addergoole. Alle lebten in Armut und Elend. Unter ihnen war auch ihre Nichte Annie, die sie mit nach Amerika nehmen wollte. Mithilfe ihrer eigenen Erfolgsgeschichte überzeugte McGowan nach und nach die komplette Gruppe, ihr in die USA zu folgen.

In den drei Tagen an Bord erlebten die Reisenden einen für sie unglaublichen Luxus: Nach dem beengten Leben auf dem Land erfuhren sie erstmals elektrischen Strom. Auch der Zugang zu sanitären Anlagen war für die Reisegruppe etwas völlig Neues. In der Nacht des Unglücks wurde die Gruppe in der allgemeinen Panik getrennt. Bridget Delia McDermott erhielt einen der begehrten Plätze. Kurz vor der Abfahrt sprang sie jedoch wieder zurück auf das Schiff, weil sie ihren Hut vergessen hatte. Aus heutiger Sicht unglaublich – doch die Kopfbedeckung war damals ihr wertvollster Besitz, den sie nicht zurücklassen wollte. Nachdem sie ihren Hut gefunden hatte, gelang es ihr auf einem anderen Rettungsboot unterzukommen: Obwohl alle Boote bereits weg waren, ließ sie sich an einem Seil von der „Titanic“ herab und erwischte noch eines der Rettungsboote.

Von dieser Geschichte inspiriert sind unsere Figuren Aunt Eva Collins, Keira Griffin, Erin Doyle und Liam Carthy.

Fundstück 401/03

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

Morgan Robertson veröffentlichte im Jahr 1898 einen kleinen Roman, der von einer großen, aber unglücklichen Liebe handelte. Wahrscheinlich hatte er nie im Sinn, ein Prophet zu werden. Aber genau das geschah: vierzehn Jahre später wurde sein Buch („Titan – eine Liebesgeschichte auf hoher See“) wieder aufgelegt, denn es war tatsächlich geschehen, was er in seinem Roman beschrieben hatte: der Untergang der Titanic. Beeindrucken waren die Parallelen: beide Schiffe fuhren im April, waren ähnlich groß und trafen bei der Passage auf einen Eisberg, der das Schiff zum Untergang brachte und hatten zu wenig Rettungsboote an Bord. Literarisch ist sein Buch nicht besonders anspruchsvoll, dass er jedoch als Seemann die Gefahren immer größer werdender Schiffe ohne Anpassung der Vorschriften vorhersah, ist beeindruckend.
Dadurch inspiriert findet Robert Morganson Einzug an Bord unseres Schiffes und versucht einen Verleger für sein Buch in New York zu finden.

Der Klappentext der 2012 Ausgabe:

Einst als Vorhersage des Untergangs der Titanic betrachtet, wurde diese Novelle 14 Jahre vor dem tragischen Ereignis von 1912 geschrieben. Nun, zum 100. Jahrestag des Untergangs der Titanic, können die verblüffenden Ähnlichkeiten in dieser neuen Ausgabe erneut betrachtet werden. John Rowland, ein in Ungnade gefallener ehemaliger Leutnant der Royal Navy, hat eine Anstellung als einfacher Decksmann auf dem größten jemals gesegelten Schiff, der Titan, angenommen. Eines Nachts, bei dichtem Nebel, stößt das Schiff gegen einen riesigen Eisberg und sinkt fast augenblicklich. Diese Novelle, geschrieben 14 Jahre vor dem Untergang der Titanic, wurde gleichermaßen als prophetisches Werk und als reiner Zufall gefeiert. Die Ähnlichkeiten sind sicherlich auffällig: Zwei unsinkbare Schiffe fahren in gefährlichen Bedingungen, befördern privilegierte Passagiere und haben zu wenige Rettungsboote an Bord.

Eisberg voraus!

Der nachstehende Text ist die Einführung in unserem Programmheft für deinen Theaterabend. Jede:r Besucher:in erhält ein umfangreiches gedrucktes Programmheft mit Gedanken und Texten zum Stück. Wenn du noch keine Karte hast, findest du hier alle relevanten Informationen.

Vorab: Nichts von dem, was du heute sehen wirst, hat mit den tatsächlichen Ereignissen der Unglücksnacht im April 1912 zu tun. Keine der Figuren, die du heute auf der Bühne sehen wirst, hat jemals existiert, so oder so ähnlich gehandelt oder etwas gesagt, das auch nur annähernd dem entspricht, was sie heute Abend auf der Bühne sagen werden. Alles ist frei erfunden. Nur der Name des Schiffs und der Umstand, dass es nach der Kollision mit einem Eisberg gesunken ist, stimmen mit der Realität überein.

Und doch ist die obige Aussage nicht ganz korrekt. Denn natürlich sind die Figuren inspiriert von historischen Persönlichkeiten und Tatsachen. Doch um der Dramatik willen, mussten wir diesen Menschen Handlungen unterstellen und Worte in den Mund legen, die ihnen wahrscheinlich furchtbar Unrecht tun. Wir wollen die über 1.500 Seelen in Frieden ruhen lassen.

Gleichzeitig erneuern wir den Mythos. Denn die Unglücksnacht ist weit mehr als nur ein historisches Ereignis. Die Umstände der Katastrophe haben seit Jahrzehnten Menschen fasziniert, sodass “der Untergang der Titanic” bis heute das Sinnbild der (menschengemachten) Katastrophe ist. Und weil diese Katastrophe ikonographisch geworden ist, kann man die Geschichte als Fabel erzählen. In dieser Fabel können wir uns frei entfalten und die Aspekte, die uns heute noch viel zu sagen haben, dramatisch herausarbeiten. Dadurch wird die historische Katastrophe zu einem Bild für unsere Gegenwart.

Dies gibt uns nun auch die Möglichkeit, dem Vorbild Friedrich Dürrenmatts zu folgen. Mit seiner Aussage “Uns kommt nur die Komödie bei” betont er die Kraft der Komödie, durch groteske Elemente eine Distanz zwischen dem Beobachteten und der Beobachtung zu schaffen, die Erkenntnis erst ermöglicht. Dass Dürrenmatts (Tragik-)Komödien dabei ganz anderen Prinzipien folgen als die traditionelle Komödie oder gar der Schwank, ist einleuchtend. Denn auch Dürrenmatt sieht im Erschaffen von Kunst eine Aufgabe, die im Leben der Menschen ihren Platz findet.

Um uns nicht noch weiter in Dramentheorien zu verlieren: Heute Abend erwartet dich weder ein Historienstück noch eine Tragödie, noch eine Liebesromanze – sondern eine groteske, bissige Fabel, die uns allen einen Spiegel vorhalten möchte: Welche Eisberge haben wir nicht gesehen? Wie gehen wir mit unseren menschengemachten Katastrophen um? Wen treffen die Auswirkungen der Katastrophe als erstes? Und wer wird sich wahrscheinlich retten können?

Dass heute Milliardäre schwimmende Bunker in internationalen Gewässern vor Panama bauen, die sogar einen nuklearen Winter überstehen sollen, während diejenigen, die bei Umweltkatastrophen wie Hitze, Pandemien und Unwettern als erstes betroffen sind, irgendwo in der dritten Klasse ihren Platz haben – all das zeigt sich in unserer Inszenierung.

Denn auch in diesem Jahr bleibt es dabei:
Es ist unser Stück.
In deiner Welt!

Dem Untergang geweiht?

Impuls der Jugendkirche TABGHA von Maximilian Strozyk


In der Jugendkirche TABGHA geht es in die Tiefe.
KjG Theater nimmt Dich mit auf die Titanic.

Eine Geschichte ohne echtes Happy End. Ein Symbol für eine Gemeinschaft, die sich selbst noch feiert, während sie mit zu viel Geschwindigkeit und ohne auf ihre Umgebung zu achten auf Ihrer Reise ist.

Wir kennen die Geschichte dieses Schiffs, das 1912 mit einem Eisberg kollidierte und innerhalb kürzester Zeit sank und über 1500 Menschen das Leben kostete. Die Parallelen zu unendlich vielen Situationen des Jahres 2024 sind augenscheinlich. Eine Kirche, die keinen Eisberg auslässt und doch (noch) nicht gesunken ist. Ein Klima, das sich immer rasanter verändert zwar Eisberge zum Schmelzen bringt, aber neue Gefahren mit sich bringt. Eine Großwetterlage im Miteinander von Menschen, die immer rauer wird. Es sind stürmische Zeiten für uns alle.

Aber ich bin mir sicher, dass wir von diesem alten Tanker lernen können, dass wir es besser machen können.

Und keine Sorge: Wer bei uns in die Titanic einsteigt, ist nicht dem Untergang geweiht, sondern taucht ein in eine Geschichte mit Tiefgang, aber auch unendlich viel groteskem Humor, einem beeindruckenden Bühnenbild, toller Musik und inspirierenden Schauspieler:innen und nicht zuletzt einem vielleicht gar nicht so frostigen Eisberg.

Um es mit den Worten eines Komponisten aus meiner Heimat zu sagen:

Deine Hand gibt mir
Den Halt, den ich so dringend brauch‘, um nicht
Zu brechen, halt‘ sie fest, und wir, und wir
Wir könnten uns noch retten
Deine Hand, sie schiebt
In Liebe meine Hand an, gibt und gibt
Alles, was sie kann, sie ist mein Pier
Komm, weiter gemeinsam
Auf Räuberleitern höher steigen wir
Im Team, wenn wir
Uns Brücken schweißen, die uns direkt führen
Ins Wir, ich bin nur mit dir
Stark.

(Herbert Grönemeyer: Deine Hand)

Also: Besorg Dir das Ticket für eine Reise ins Ungewisse und lass Dich mitnehmen in eine Geschichte, die es immer wieder neu wert ist, erzählt zu werden.

Termine und Daten findest du hier!

Die Musik zu unserer Titanic

Der titelgebende Song, der in den unterschiedlichsten Varianten zu hören sein wird, ist Leonard Cohen’s Meisterwerk „Everybody Knows“.

Hier der Text (deutsche Übersetzung am Ende):

Everybody knows that the dice are loaded
Everybody rolls with their fingers crossed
Everybody knows the war is over
Everybody knows the good guys lost
Everybody knows the fight was fixed
The poor stay poor, the rich get rich
That’s how it goes
Everybody knows

Everybody knows that the boat is leaking
Everybody knows that the captain lied
Everybody got this broken feeling
Like their father or their dog just died
Everybody talking to their pockets
Everybody wants a box of chocolates
And a long-stem rose
Everybody knows

Everybody knows that you love me baby
Everybody knows that you really do
Everybody knows that you’ve been faithful
Ah, give or take a night or two
Everybody knows you’ve been discreet
But there were so many people you just had to meet
Without your clothes
And everybody knows

Everybody knows, everybody knows
That’s how it goes
Everybody knows

And everybody knows that it’s now or never
Everybody knows that it’s me or you
And everybody knows that you live forever
Ah, when you’ve done a line or two
Everybody knows the deal is rotten
Old Black Joe’s still pickin‘ cotton
For your ribbons and bows
And everybody knows

And everybody knows that the Plague is coming
Everybody knows that it’s moving fast
Everybody knows that the naked man and woman
Are just a shining artifact of the past
Everybody knows the scene is dead
But there’s gonna be a meter on your bed
That will disclose
What everybody knows

And everybody knows that you’re in trouble
Everybody knows what you’ve been through
From the bloody cross on top of Calvary
To the beach of Malibu
Everybody knows it’s coming apart
Take one last look at this Sacred Heart
Before it blows
And everybody knows

Everybody knows, everybody knows
That’s how it goes
Everybody knows

Und die deutsche Übersetzung:

Jeder weiß, dass die Würfel gefallen sind
Jeder würfelt und drückt die Daumen
Jeder weiß, dass der Krieg vorbei ist
Jeder weiß, dass die Guten verloren haben
Jeder weiß, dass der Kampf abgesprochen war
Die Armen bleiben arm, die Reichen werden reich
So ist das nun mal
Jeder weiß es

Jeder weiß, dass das Boot undicht ist
Jeder weiß, dass der Kapitän gelogen hat
Jeder hat dieses gebrochene Gefühl
Als wäre der Vater oder der Hund gerade gestorben
Alle reden in ihre Taschen
Jeder will eine Schachtel Pralinen
Und eine langstielige Rose
Jeder weiß das

Jeder weiß, dass du mich liebst, Baby
Jeder weiß, dass du mich wirklich liebst
Jeder weiß, dass du mir treu bist
Ah, plus oder minus eine Nacht oder zwei
Jeder weiß, dass du diskret warst
Aber da waren so viele Leute, die du einfach treffen musstest
Ohne deine Kleider
Und jeder weiß es

Jeder weiß es
Jeder weiß es
So ist das nun mal
Jeder weiß es

Und jeder weiß, dass es „jetzt oder nie“ heißt
Jeder weiß, dass es „ich oder du“ heißt
Und jeder weiß, dass du ewig lebst
Ah, wenn du ein oder zwei Sprüche gemacht hast
Weiß jeder, dass das Geschäft faul ist
Der alte schwarze Joe pflückt immer noch Baumwolle
Für deine Bänder und Schleifen
Und jeder weiß es

Und jeder weiß, dass die Pest kommt
Jeder weiß, dass sie sich schnell bewegt
Jeder weiß, dass der nackte Mann und die Frau
nur ein glänzendes Artefakt der Vergangenheit sind
Jeder weiß, dass die Szene tot ist
Aber es wird ein Messgerät auf deinem Bett sein
Das alles enthüllen wird
Was jeder weiß

Und jeder weiß, dass du in Schwierigkeiten steckst
Jeder weiß, was du durchgemacht hast
Vom blutigen Kreuz auf dem Kalvarienberg
Bis zum Strand von Malibu
Jeder weiß, dass es zerbricht
Wirf einen letzten Blick auf dieses Heilige Herz
Bevor es explodiert
Und jeder weiß es

Jeder weiß es
Jeder weiß es
So läuft’s
Jeder weiß es

Alle wissen es

Titanic-Mania

Jeden Tag gibt es (dank Unreal Engine) neue Videos auf Youtube mit „Walkthroughs“ durch die Titanic, immer wieder neue Berichte und Besonderheiten, der 1997 Titanic Film resoniert bis heute nach – es gibt in vielen Ländern Titanic Associations und jetzt ganz neu wieder einen Milliardär, der sich den Titanic Traum erfüllen möchte, indem er das Schiff nachbaut.

Sie ist für uns alle ein episches Beispiel für Mut, Widerstandsfähigkeit und Einsatzbereitschaft.

Bergbaumagnat Clive Palmer zu seinen Plänen zum Bau der Titanic II

Das war sie und bleibt sie: ein mächtiges Symbol, eine Metapher für „etwas“, der wahrgewordene (Alb-)Traum. Zugegeben – auch wir sind fasziniert von der Geschichte, sonst hätten wir sie nicht auf den Spielplan gestellt. Seit Monaten recherchieren wir und stoßen auf immer wieder neue, spannende Fundstücke. Aber bei all dem sollten wir nie vergessen, dass die über 1.500 Opfer und die 700 zum Teil stark traumatisiert Überlebenden unseren respekt verdienen. Ob eine Titanic II diesen Respekt zeigt? Oder über 100 Jahre weiter nur eine neue Auflage des Größenwahns unserer Zeit ist. Auch damit muss man sich beschäftigen – in unserem Stück.

Der Aufschub

Bei dem berühmten Ausbruch des Helgafell, eines Vulkans auf der Insel Heimaey, live übertragen von einem Dutzend hustender Fernsehteams, sah ich, unter dem Schwefelregen, einen älteren Mann in Hosenträgern, der, achselzuckend und ohne sich weiter zu kümmern um Sturmwind, Hitze, Kameraleute, Asche, Zuschauer (unter ihnen auch ich vor dem bläulichen Blildschirm auf meinem Teppich), mit einem Gartenschlauch, dünn aber deutlich sichtbar, gegen die Lava vorging, bis endlich Nachbarn, Soldaten, Schulkinder, ja sogar Feuerwehrleute mit Schläuchen, immer mehr Schläuchen, gegen die heiße, unaufhaltsam vorrückende Lava eine Mauer aus naß erstarrter kalter Lava höher und höher türmten, und so, zwar aschgrau und nicht für immer, doch einstweilen,, den Untergang des Abendlandes aufschoben, dergestalt, daß, falls sie nicht gestorben sind, auf Heimaey, einer Insel unweit von Island, heute noch diese Leute in ihren kleinen bunten Holzhäusern morgens erwachen und nachmittags, unbeachtet von Kameras, den Salat in ihren Gärten, lavagedüngt und riesenköpfig, sprengen, vorläufig nur, natürlich, doch ohne Panik.

Der Untergang der Titanic, Hans Magnus Enzensberger, Frankfurt am Main, 2019