Endlich geht es los. Nach mehr als 15 Monaten Vorbereitung, sieben Monaten intensiver Probenarbeit und vier Wochen Einrichtung und stundenlagen Proben im Bühnenbild spielen wir das erste Mal für und mit euch.
Als Einstimmung an dieser Stelle unsere Einführung aus dem Programmheft:
Vorab: Nichts von dem, was du heute sehen wirst, hat mit den tatsächlichen Ereignissen der Unglücksnacht im April 1912 zu tun. Keine der Figuren, die du heute auf der Bühne sehen wirst, hat jemals existiert, so oder so ähnlich gehandelt oder etwas gesagt, das auch nur annähernd dem entspricht, was sie heute Abend auf der Bühne sagen werden. Alles ist frei erfunden. Nur der Name des Schiffs und der Umstand, dass es nach der Kollision mit einem Eisberg gesunken ist, stimmen mit der Realität überein.
Und doch ist die obige Aussage nicht ganz korrekt. Denn natürlich sind die Figuren inspiriert von historischen Persönlichkeiten und Tatsachen. Doch um der Dramatik willen, mussten wir diesen Menschen Handlungen unterstellen und Worte in den Mund legen, die ihnen wahrscheinlich furchtbar Unrecht tun würden. Wir wollen die über 1.500 Seelen in Frieden ruhen lassen.
Gleichzeitig erneuern wir den Mythos. Denn die Unglücksnacht ist weit mehr als nur ein historisches Ereignis. Die Umstände der Katastrophe haben seit Jahrzehnten Menschen fasziniert, sodass “der Untergang der Titanic” bis heute das Sinnbild der (menschengemachten) Katastrophe ist. Und weil diese Katastrophe ikonographisch geworden ist, kann man die Geschichte als Parabel erzählen. In dieser Parabel können wir uns frei entfalten und die Aspekte, die uns heute noch viel zu sagen haben, dramatisch herausarbeiten. Dadurch wird die historische Katastrophe zu einem Bild für unsere Gegenwart.
Dies gibt uns nun auch die Möglichkeit, dem Vorbild Friedrich Dürrenmatts zu folgen. Mit seiner Aussage “Uns kommt nur die Komödie bei” betont er die Kraft der Komödie, durch groteske Elemente eine Distanz zwischen dem Beobachteten und der Beobachtung zu schaffen, die Erkenntnis erst ermöglicht. Dass Dürrenmatts (Tragik-)Komödien dabei ganz anderen Prinzipien folgen als die traditionelle Komödie oder gar der Schwank, ist einleuchtend. Denn auch Dürrenmatt sieht im Erschaffen von Kunst eine Aufgabe, die im Leben der Menschen ihren Platz findet.
Um uns nicht noch weiter in Dramentheorien zu verlieren: Heute Abend erwartet dich weder ein Historienstück noch eine Tragödie, noch eine Liebesromanze – sondern eine groteske, bissige Parabel, die uns allen einen Spiegel vorhalten möchte: Welche Eisberge ignorieren wir? Wie gehen wir mit unseren menschengemachten Katastrophen um? Wen treffen die Auswirkungen der Katastrophe als erstes? Und wer wird sich wahrscheinlich retten können?
Dass heute Milliardäre schwimmende Bunker in internationalen Gewässern vor Panama bauen, die sogar einen nuklearen Winter überstehen sollen, während diejenigen, die bei Umweltkatastrophen wie Hitze, Pandemien und Unwettern als erstes betroffen sind, irgendwo in der dritten Klasse ihren Platz haben – all das zeigt sich in unserer Inszenierung.
Denn auch in diesem Jahr bleibt es dabei:
Es ist unser Stück.
In deiner Welt!