Archiv der Kategorie: Gedanken zum Stück

Die Macht der Fantasie

Als Gottvater in sechs Tagen die Welt erschuf (am siebten ruhte er bekanntlich), benötigte er neben seiner Allmacht und einer soliden Logistik fraglos auch jede Menge Fantasie. Wie er vorging, ist uns als biblische Schöpfungsgeschichte überliefert. Wir glaubten ihr, bis uns Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie ernüchterte und die alttestamentarische Version als Phantasiegebilde entmystifizierte. Diskreditiert sind dadurch allerdings weder die biblische Genesis noch die Fantasie selbst. Wo unsere Erkenntnis endet, setzt notwendigerweise die Fantasie mit ihren Vorstellungen und Ideen ein. Sie ist gleichermaßen schöpferisches Denken wie Deutungs- und Erklärungshilfe der Realität und ihrer Phänomene. „Fantasie ist wichtiger als Wissen. Wissen ist begrenzt. Phantasie aber umfasst die ganze Welt“, folgerte Albert Einstein.

Nackt und unbehaust werde der Mensch geboren, hat Ernst Bloch hochpoetisch wie treffend festgestellt, in eine Hütte, hinter der die Dunkelheit beginnt und in eine Welt, die er zu seinem Zuhause machen muss. Dabei ist er nicht nur auf Arbeit, sondern auch auf Ideen angewiesen. Anders als das von Instinkten gesteuerte und von der Natur überlebensfähig ausgestattete Tier muss sich der Mensch, um zu überleben, seine Welt selbst gestalten, ihr Sinn und Ordnung geben, sie weiterdenken und ihre Vergangenheit verstehen. Dazu besitzt er als einziges Werkzeug sein Gehirn, das nicht nur in der Lage ist, Neues zu lernen, sondern auch kognitive wie sinnliche Erfahrungen als Wissen zu speichern und mittels der Fantasie daraus neue imaginäre Bilder zu formen.

Was daraus entsteht, bestimmt die menschliche Konstruktion der Wirklichkeit, ihre Sinngebung und Wahrnehmung. Fantasie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie ist „Genius und Teufel“ (Immanuel Kant). Sie macht den Menschen zum Visionär wie zum Wahnsinnigen, schafft selige Träume und Horror- Visionen. Ungeheuer modern klingt Novalis, wenn er feststellt: „Die Fantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe oder in die Tiefe oder in die Metempsychose (der Wanderung der Seele) zu uns. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.“

Fantasie ist für den Menschen somit fundamental. Kein schöpferisches Denken kommt ohne sie aus, nicht einmal in den auf strenge Regelwerke und Fakten ausgerichteten Natur-oder Ingenieurwissenschaften. Dabei entstammen ihre Inspirationen und Bilder keineswegs irgendeiner Beliebigkeit. Mögen sich ihre Vorstellungen noch so weit ins Unendliche hinauswagen, fantastische Universen schaffen und bevölkern, oder tief tauchen, um das Dunkel des Metaphysischen zu erhellen: Was die Fantasie, die ihren Namen vom griechischen Verb „phaino“ (scheinen) hat, als Erscheinungen generiert, bleibt stets in den Speichern unseres Gedächtnisses geerdet.

Was wissenschaftlich längst als gesichert gilt und Traumdeutung und Psychologie beschäftigt, die enge Beziehung zwischen Fantasie und Gedächtnis, ahnte bereits Aristoteles, als er auf die Bedeutung der „memoria“ für die Fantasie hinwies. Nicht jeder war im Laufe ihrer Geschichte der Fantasie zugetan. So hielten die Scholastik und auch Nikolaus von Kues die Fantasie für eine minderwertige Geistestätigkeit. Dagegen war der aufgeklärte Denker Montesquieu überzeugt von der „Macht der Fantasie“. Selbst der misanthropische Arthur Schopenhauer musste einräumen, dass ohne Fantasie nichts Großes zu bewerkstelligen sei. Höchstens in der Mathematik, schränkte der Philosoph ein. Womit er irrte. Und sogar Ludwig Wittgenstein, der einst aller Metaphysik entsagt hatte, musste gegen Ende seines Lebens im Sinne Platons eingestehen, dass der Erscheinung unserer Wirklichkeit womöglich noch ein anderes Sein zugrunde liegt, dem man sich nur mit Hilfe der Imagination nähern kann.

Auch wenn sie jedermann nötig hat, so gilt die Fantasie doch seit jeher als das ureigene Terrain der Künstler. In ihrer Welt der Inspiration und Visionen scheinen bisweilen sogar die Ideen wirklicher zu sein als die Realität. Als Musiker, Maler, Bildhauer, Dichter, Schriftsteller oder Theatermacher schaffen Künstler alltäglich fantastische Welten, in die sie uns mitnehmen und dabei unsere eigene Fähigkeit zu Fantasie und Metaphorik herausfordern.

Als das Phantasialand der neueren Geistesgeschichte kann die Romantik gelten mit ihrem Hang zum Subjektiven, ihrer Liebe zu Märchen und Mythen, zu Mystik und Groteske, ihrem Horchen in die eigene und der Welt Seele. Als „Fantasiestücke in Callots Manier“ bezeichnete E.T.A. Hoffmann die Texte seines einflussreichen Erstlingswerks.

Auch wenn ihre Bedeutung längst erkannt ist: immer häufiger wird dieser Tage der Verlust der Fantasie beklagt. Neopositivismus, Materialismus, Technologie-Gläubigkeit, schneiden ihr die Luft ab. Wo Massenmedien und Internet unablässig Bilderfluten und virtuelle Welten liefern, scheint kaum Raum für eigene Vorstellung zu bleiben. Im Kinderzimmer ersetzen vielfach Sachbücher das literarisch Fiktive. Selbst die Kunst scheint vielerorts dem Fantastischen zu misstrauen und hangelt sich an Tagesaktualitäten entlang. Aber auch psychischer und sozialer Druck bedrohen die Phantasie. So haben Studien ergeben, dass die allen Kindern ursprünglich eigene Lust an Kreativität und fantastischem Spiel bei Traumatisierung oder schwierigen sozialen Verhältnissen leicht verkümmert. Fantasie braucht nun mal Freiraum und Luft zum Atmen. Es versteht sich von selbst, dass all jene, die auf absoluten Wahrheiten bestehen, wie Ideologen, Fundamentalisten, Dogmatiker und Positivisten die Fantasie ersticken.

Es steht außer Frage: Alles Denken, das Neues schafft, bedarf der Fantasie. Sie macht uns zum Schöpfer wie Entdecker von Welten. Mit ihrer Hilfe vermögen wir nicht nur, über uns selbst hinauszudenken, sondern uns auch empathisch in andere hineinzuversetzen. Fantasie ist unverzichtbar zur Weltaneignung und -gestaltung, der mikrokosmischen eigenen wie der gesamtgesellschaftlichen makrokosmischen. Durchaus im Sinn von Joseph Beuys’ meist malträtiertem Anspruch, nach dem jeder Mensch dank seiner Fantasie ein Künstler sei. Also: Mehr Mut zur Fantasie!

Eva-Maria Reuther im OPUS Kulturmagazin Nr. 80 (Juli / August 2020) für das Schwerpunktthema Fantasie

Die Geschichte der Wünsche

von Michael Ende, aus Das Schnurpsen Buch

In die fröhliche Stadt der Kinder
kamen drei Zauberer einst:
Der erste hieß Borstenbinder,
der zweite Siebenzylinder
und der dritte Wasdunichtmeinst.
Sie zauberten hier und sie zauberten dort
manches Stücklein in bunter Gestaltung.
Und die Kinder dankten mit freundlichem Wort
für die lustige Unterhaltung.
Doch manches fragte sich heimlich dabei:
Sind sie gut oder böse, die seltsamen drei?
Man weiß es oft nicht.

Als der Tag der Abfahrt gekommen,
baten die Zauberer früh,
ehe sie Abschied genommen,
die Kinder zum Marktplatz zu kommen.
Und dies verkündeten sie:
„Wir sind eurer Freundlichkeit eingedenk,
ihr zolltet den Künsten Verehrung.
Drum bieten wir euch als Abschiedsgeschenk
eines einzigen Wunsches Gewährung.
Dieser Wunsch, den ihr sagt – sei er groß oder klein – wird im selben Moment euch erfüllet sein.”
Was sagst du dazu?

Da berieten die Kinder sich lange,
was am besten zu wünschen sei;
denn wie schlau man’s auch immer anfange,
sobald man das eine erlange,
sei’s mit allem andern vorbei!
Darum sprachen sie schließlich zu den drei Herrn:
»Verzeiht, wenn wir allzu viel wagen!
Unser einziger Wunsch ist: Wir möchten gern,
dass jeder Wunsch, den wir sagen,
sofort sich erfüllt.” – „Ihr habt es begehrt”,
so sprachen die dreie, „es sei euch gewährt!”
Da staunst du nun wohl!

Dann zogen sie fort mit dem Wagen.
Die Kinder der Kinderstadt
fingen an sich voll Neugier zu fragen:
Ob ein Spruch, den drei Zauberer sagen,
so mächtige Wirkung hat?
Sie probierten es aus, erst heimlich noch zwar –
und staunten ganz unaussprechlich:
Jeder Wunsch, den man sagte – ganz gleich, was es war –
ging sogleich in Erfüllung, tatsächlich!
Und die Kinder riefen voll Übermut:
„Da sieht man’s – die Zauberer waren gut!”
Das ist doch ganz klar!

Ihr könnt euch wohl selber denken,
was nun für ein Wünschen begann:
Der wollte ein Auto zum Lenken,
der andre zehn Reiseandenken,
der Dritte ‘nen Hampelmann,
Spielzeug und Kuchen und Eisenbahn,
Samt und Seide und Felle,
Schlittschuhe, Kaugummi, Kreisel und Kran,
goldene Kronen und Bälle,
Puppen und Bücher und Kram und Trara:
Was man nur wünschte, sofort war es da!
Das möcht’st du wohl auch?

Das war schon ein Jahr so gegangen
und der Zauber hielt immer noch an!
Die Kinder begannen zu bangen,
denn kann man stets alles erlangen,
verliert man die Freude daran.
Und sie wünschten sich weniger Tag für Tag:
Alles kriegen ist unausstehlich!
Und wenn einer sich gar nichts mehr wünschen mag,
dann macht ihn auch gar nichts mehr fröhlich.
Die Kinder saßen mit traurigem Blick
unter all ihren Schätzen – im Missgeschick.
Das glaubst du wohl nicht?

Da schickten sie Fährten-Finder
in die weite Welt hinein,
zu suchen Herrn Borstenbinder
und den andern, Herrn Siebenzylinder,
und Herrn Wasdunichtmeinst obendrein,
und sie sollten bestellen: „Nehmt’s wieder, dies Glück!
Unsre Freude ist dadurch verschwunden.”
Doch die Boten, sie kamen einzeln zurück,
hatten nirgends die dreie gefunden.
Da klagten die Kinder: „Dass Gott uns erlös!
Und jetzt wissen wir’s erst: Die drei waren bös!”
Das denkst du doch auch?

Und Verzweiflung beschlich sie im Stillen.
Da ergriff eins der Kleinsten das Wort:
„Wenn sich all unsre Wünsche erfüllen,
dann wünschen wir einfach mit Willen
die Wünsche-Erfüllung fort!”
Sie befolgten den Rat und von Stund an war
wieder spannend das Leben und heiter.
Die Kinder war’n froh wie vor Tag und Jahr
und vielleicht gar ein wenig gescheiter.

Nur eine Sache wüsst ich noch gern:
Waren gut oder bös die drei seltsamen Herrn?
Sag, was meinst du?

Wie stellt man Phantásien dar?

Es ist kompliziert.

Ein Buch, das geschrieben wurde, um unsere Phantasie zu beflügeln, in konkrete Bilder zu übersetzen, ist eine Herausforderung. Denn jeder Leserin trägt ein anderes Bild von Phantásien in sich.

Wie sieht Atréju aus? Wie der Glücksdrache Fuchur? Und wie die Kindliche Kaiserin?

In einer Welt, die von Bildern überflutet ist, verlernen wir zunehmend, den inneren Bildern zu vertrauen. Doch wenn unsere Phantasie verkümmert, dann verkümmert auch unsere Welt – so Michael Endes Überzeugung. Sie war eine der treibenden Kräfte hinter Die Unendliche Geschichte.

Es gibt eine inhaltliche Verbindung zu Momo, der Geschichte des kleinen Mädchens und der grauen Herren, die den Menschen ihre Zeit stehlen. Diese Herren quantifizieren die Welt zu Tode und lassen keinen Raum für Qualität, Sinn und Tiefe.

Und es spricht vieles dafür, dass auch das „Nichts“ in Die Unendliche Geschichte von denselben Kräften herrührt – einer Welt, die Zahlen über Bedeutung stellt.

Wie also stellt man so eine Welt dar – wenn man die Intention des Autors ernst nimmt?

Unsere Antwort: Man schafft Raum für die Phantasie der Zuschauenden.

Der Bühnenraum bleibt klar, fast leer. Wenige Requisiten, prägnante Kostüme. Die Inszenierung lebt von Licht, Atmosphäre – und einem eigens für diese Produktion komponierten Soundtrack, der live gespielt wird.

Unser Wunsch: Dass das Publikum am Ende einen Phantasie-Booster erlebt hat. Dass es reich beschenkt und inspiriert aus der Aufführung geht.

Daran arbeiten wir gerade mit großer Hingabe – und sind auf einem sehr guten Weg.

Und auch wenn der Sommer noch vor uns liegt: Es sind nur noch 144 Tage, bis wir euch unser Phantásien zeigen dürfen!

Fundstück 401/07

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

Die Geschichte des Bäckers Charles Joughin ist eine der bemerkenswertesten Überlebensgeschichten des Titanic-Unglücks. Joughin trank während des Untergangs eine erhebliche Menge Alkohol, insbesondere Whiskey. Dies ist ein wichtiger Teil seiner Geschichte, da es möglicherweise dazu beigetragen hat, dass er die Kälte des Wassers besser ertragen konnte. Alkohol erweitert zwar die Blutgefäße und kann so das Gefühl von Wärme erzeugen, aber es erhöht auch das Risiko von Unterkühlung. Joughin behauptete jedoch später, dass er sich durch den Alkohol “kaum kalt” gefühlt habe, als er ins Wasser sprang. Nachdem die Titanic gesunken war, trieb Joughin im eisigen Nordatlantik. Berichten zufolge hielt er sich über zwei Stunden im Wasser auf, was außergewöhnlich ist, da die meisten Menschen aufgrund der extrem niedrigen Wassertemperaturen innerhalb von Minuten starben. Joughin klammerte sich an ein umgekipptes Rettungsboot (Collapsible B) und konnte sich letztlich darauf ziehen. Joughin wurde schließlich von einem der Rettungsboote, das zur Rettung zurückkehrte, an Bord geholt. Er war einer der letzten Überlebenden, die aus dem Wasser gezogen wurden, und kam trotz der langen Zeit im Wasser mit relativ geringen Verletzungen davon.

Inspiriert von dieser Geschichte ist Iwan Pawlowitsch an Bord unserer Titanic. Im Angesichts des Untergangs sucht er nach kreativen Ideen und hofft auch, dass der viele Alkohol ihn „wärmt“.

Fundstück 401/06

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

J. Bruce Ismay war Geschäftsführer der White Star Line. Er stieg in eines der letzten Rettungsboote ein, was ihm schwere Kritik einbrachte. Manche behaupteten, dass er als Verantwortlicher der White Star Line nicht hätte fliehen dürfen, sondern an Bord hätte bleiben sollen. Ismay verteidigte sich später, indem er erklärte, er habe nur einen Platz in einem fast leeren Boot eingenommen, nachdem niemand anders mehr einstieg.

In unserem Stück übernimmt Mel Jester diese Rolle, jedoch als Vorsitzende der Bank, die die Titanic finanzierte. Dies verweist auf eine weitere historische Tatsache: Die Titanic wurde von der Bank J.P. Morgan und deren International Mercantile Marine Company (IMM) finanziert. J.P. Morgan hatte durch die IMM direkten Einfluss auf die Finanzierung und den Bau der Titanic. Seine finanzielle Unterstützung und sein Interesse an der Expansion der Schifffahrtsindustrie waren entscheidend für das Projekt. Die IMM fungierte im Wesentlichen als der finanzielle Rücken der White Star Line und stellte die notwendigen Mittel für den Bau der Titanic bereit.

Dein ist die Zeit

Immer wieder betonen wir, dass unser Stück NICHT historisch ist und alle Figuren frei erfunden sind. Und doch sind alle Figuren inspiriert von den Ereignissen des 14.04.1912. Uns ist das Gedenken an die Opfer wichtig. Und nicht nur an die besonderen Opfer der Titanic Katastrophe, sondern auch an alle Opfer menschengemachter Katastrophen.

Ab dem 01.11. verwandelt sich die Kerzenkapelle von St. Joseph in eine besondere Gedenkkapelle: Auf fünf großen Tafeln sind alle Passagiere und Crewmitglieder gelistet, inklusive Alter, Klasse und dem Hinweis ob die Person in der Nacht verstorben ist.

Wir laden euch ein, für diese Opfer zu beten. Aber auch für alle anderen, die Opfer von Katastrophen geworden sind. Herzliche Einladung, dort eine Kerze anzuzünden und ein wenig in Ruhe zu verweilen.

Dein ist die Zeit.

Fehlerkorrektur: Das Datum des Untergangs (14.04.) wurde korrigiert. In der Ursprungsfassung des Beitrags war es irrtümlich der 14.12.

Fundstück 401/04

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

Die Geschichte der „Addergoole 14“ gehört zu den traurigsten „Titanic“-Geschichten. 2023 wurde sie von Netflix in der bewegenden Dokumentation „Waking the Titanic“ verfilmt. Eine Frau namens Catherine McGowan, die bereits in die Vereinigten Staaten ausgewandert war und sich dort zur erfolgreichen Geschäftsfrau hochgearbeitet hatte, organisierte die Reise für 13 weitere Menschen aus dem irischen Ort Addergoole. Alle lebten in Armut und Elend. Unter ihnen war auch ihre Nichte Annie, die sie mit nach Amerika nehmen wollte. Mithilfe ihrer eigenen Erfolgsgeschichte überzeugte McGowan nach und nach die komplette Gruppe, ihr in die USA zu folgen.

In den drei Tagen an Bord erlebten die Reisenden einen für sie unglaublichen Luxus: Nach dem beengten Leben auf dem Land erfuhren sie erstmals elektrischen Strom. Auch der Zugang zu sanitären Anlagen war für die Reisegruppe etwas völlig Neues. In der Nacht des Unglücks wurde die Gruppe in der allgemeinen Panik getrennt. Bridget Delia McDermott erhielt einen der begehrten Plätze. Kurz vor der Abfahrt sprang sie jedoch wieder zurück auf das Schiff, weil sie ihren Hut vergessen hatte. Aus heutiger Sicht unglaublich – doch die Kopfbedeckung war damals ihr wertvollster Besitz, den sie nicht zurücklassen wollte. Nachdem sie ihren Hut gefunden hatte, gelang es ihr auf einem anderen Rettungsboot unterzukommen: Obwohl alle Boote bereits weg waren, ließ sie sich an einem Seil von der „Titanic“ herab und erwischte noch eines der Rettungsboote.

Von dieser Geschichte inspiriert sind unsere Figuren Aunt Eva Collins, Keira Griffin, Erin Doyle und Liam Carthy.

Fundstück 401/03

401 war die Baunummer der Titanic. Wir haben für euch einige Fundstücke herausgesucht, von welchen Vorlagen unsere (nicht historischen) Figuren beeinflusst worden sind.

Morgan Robertson veröffentlichte im Jahr 1898 einen kleinen Roman, der von einer großen, aber unglücklichen Liebe handelte. Wahrscheinlich hatte er nie im Sinn, ein Prophet zu werden. Aber genau das geschah: vierzehn Jahre später wurde sein Buch („Titan – eine Liebesgeschichte auf hoher See“) wieder aufgelegt, denn es war tatsächlich geschehen, was er in seinem Roman beschrieben hatte: der Untergang der Titanic. Beeindrucken waren die Parallelen: beide Schiffe fuhren im April, waren ähnlich groß und trafen bei der Passage auf einen Eisberg, der das Schiff zum Untergang brachte und hatten zu wenig Rettungsboote an Bord. Literarisch ist sein Buch nicht besonders anspruchsvoll, dass er jedoch als Seemann die Gefahren immer größer werdender Schiffe ohne Anpassung der Vorschriften vorhersah, ist beeindruckend.
Dadurch inspiriert findet Robert Morganson Einzug an Bord unseres Schiffes und versucht einen Verleger für sein Buch in New York zu finden.

Der Klappentext der 2012 Ausgabe:

Einst als Vorhersage des Untergangs der Titanic betrachtet, wurde diese Novelle 14 Jahre vor dem tragischen Ereignis von 1912 geschrieben. Nun, zum 100. Jahrestag des Untergangs der Titanic, können die verblüffenden Ähnlichkeiten in dieser neuen Ausgabe erneut betrachtet werden. John Rowland, ein in Ungnade gefallener ehemaliger Leutnant der Royal Navy, hat eine Anstellung als einfacher Decksmann auf dem größten jemals gesegelten Schiff, der Titan, angenommen. Eines Nachts, bei dichtem Nebel, stößt das Schiff gegen einen riesigen Eisberg und sinkt fast augenblicklich. Diese Novelle, geschrieben 14 Jahre vor dem Untergang der Titanic, wurde gleichermaßen als prophetisches Werk und als reiner Zufall gefeiert. Die Ähnlichkeiten sind sicherlich auffällig: Zwei unsinkbare Schiffe fahren in gefährlichen Bedingungen, befördern privilegierte Passagiere und haben zu wenige Rettungsboote an Bord.

Eisberg voraus!

Der nachstehende Text ist die Einführung in unserem Programmheft für deinen Theaterabend. Jede:r Besucher:in erhält ein umfangreiches gedrucktes Programmheft mit Gedanken und Texten zum Stück. Wenn du noch keine Karte hast, findest du hier alle relevanten Informationen.

Vorab: Nichts von dem, was du heute sehen wirst, hat mit den tatsächlichen Ereignissen der Unglücksnacht im April 1912 zu tun. Keine der Figuren, die du heute auf der Bühne sehen wirst, hat jemals existiert, so oder so ähnlich gehandelt oder etwas gesagt, das auch nur annähernd dem entspricht, was sie heute Abend auf der Bühne sagen werden. Alles ist frei erfunden. Nur der Name des Schiffs und der Umstand, dass es nach der Kollision mit einem Eisberg gesunken ist, stimmen mit der Realität überein.

Und doch ist die obige Aussage nicht ganz korrekt. Denn natürlich sind die Figuren inspiriert von historischen Persönlichkeiten und Tatsachen. Doch um der Dramatik willen, mussten wir diesen Menschen Handlungen unterstellen und Worte in den Mund legen, die ihnen wahrscheinlich furchtbar Unrecht tun. Wir wollen die über 1.500 Seelen in Frieden ruhen lassen.

Gleichzeitig erneuern wir den Mythos. Denn die Unglücksnacht ist weit mehr als nur ein historisches Ereignis. Die Umstände der Katastrophe haben seit Jahrzehnten Menschen fasziniert, sodass “der Untergang der Titanic” bis heute das Sinnbild der (menschengemachten) Katastrophe ist. Und weil diese Katastrophe ikonographisch geworden ist, kann man die Geschichte als Fabel erzählen. In dieser Fabel können wir uns frei entfalten und die Aspekte, die uns heute noch viel zu sagen haben, dramatisch herausarbeiten. Dadurch wird die historische Katastrophe zu einem Bild für unsere Gegenwart.

Dies gibt uns nun auch die Möglichkeit, dem Vorbild Friedrich Dürrenmatts zu folgen. Mit seiner Aussage “Uns kommt nur die Komödie bei” betont er die Kraft der Komödie, durch groteske Elemente eine Distanz zwischen dem Beobachteten und der Beobachtung zu schaffen, die Erkenntnis erst ermöglicht. Dass Dürrenmatts (Tragik-)Komödien dabei ganz anderen Prinzipien folgen als die traditionelle Komödie oder gar der Schwank, ist einleuchtend. Denn auch Dürrenmatt sieht im Erschaffen von Kunst eine Aufgabe, die im Leben der Menschen ihren Platz findet.

Um uns nicht noch weiter in Dramentheorien zu verlieren: Heute Abend erwartet dich weder ein Historienstück noch eine Tragödie, noch eine Liebesromanze – sondern eine groteske, bissige Fabel, die uns allen einen Spiegel vorhalten möchte: Welche Eisberge haben wir nicht gesehen? Wie gehen wir mit unseren menschengemachten Katastrophen um? Wen treffen die Auswirkungen der Katastrophe als erstes? Und wer wird sich wahrscheinlich retten können?

Dass heute Milliardäre schwimmende Bunker in internationalen Gewässern vor Panama bauen, die sogar einen nuklearen Winter überstehen sollen, während diejenigen, die bei Umweltkatastrophen wie Hitze, Pandemien und Unwettern als erstes betroffen sind, irgendwo in der dritten Klasse ihren Platz haben – all das zeigt sich in unserer Inszenierung.

Denn auch in diesem Jahr bleibt es dabei:
Es ist unser Stück.
In deiner Welt!

Dem Untergang geweiht?

Impuls der Jugendkirche TABGHA von Maximilian Strozyk


In der Jugendkirche TABGHA geht es in die Tiefe.
KjG Theater nimmt Dich mit auf die Titanic.

Eine Geschichte ohne echtes Happy End. Ein Symbol für eine Gemeinschaft, die sich selbst noch feiert, während sie mit zu viel Geschwindigkeit und ohne auf ihre Umgebung zu achten auf Ihrer Reise ist.

Wir kennen die Geschichte dieses Schiffs, das 1912 mit einem Eisberg kollidierte und innerhalb kürzester Zeit sank und über 1500 Menschen das Leben kostete. Die Parallelen zu unendlich vielen Situationen des Jahres 2024 sind augenscheinlich. Eine Kirche, die keinen Eisberg auslässt und doch (noch) nicht gesunken ist. Ein Klima, das sich immer rasanter verändert zwar Eisberge zum Schmelzen bringt, aber neue Gefahren mit sich bringt. Eine Großwetterlage im Miteinander von Menschen, die immer rauer wird. Es sind stürmische Zeiten für uns alle.

Aber ich bin mir sicher, dass wir von diesem alten Tanker lernen können, dass wir es besser machen können.

Und keine Sorge: Wer bei uns in die Titanic einsteigt, ist nicht dem Untergang geweiht, sondern taucht ein in eine Geschichte mit Tiefgang, aber auch unendlich viel groteskem Humor, einem beeindruckenden Bühnenbild, toller Musik und inspirierenden Schauspieler:innen und nicht zuletzt einem vielleicht gar nicht so frostigen Eisberg.

Um es mit den Worten eines Komponisten aus meiner Heimat zu sagen:

Deine Hand gibt mir
Den Halt, den ich so dringend brauch‘, um nicht
Zu brechen, halt‘ sie fest, und wir, und wir
Wir könnten uns noch retten
Deine Hand, sie schiebt
In Liebe meine Hand an, gibt und gibt
Alles, was sie kann, sie ist mein Pier
Komm, weiter gemeinsam
Auf Räuberleitern höher steigen wir
Im Team, wenn wir
Uns Brücken schweißen, die uns direkt führen
Ins Wir, ich bin nur mit dir
Stark.

(Herbert Grönemeyer: Deine Hand)

Also: Besorg Dir das Ticket für eine Reise ins Ungewisse und lass Dich mitnehmen in eine Geschichte, die es immer wieder neu wert ist, erzählt zu werden.

Termine und Daten findest du hier!