Utopien sind Sehnsuchtsorte. Orte, die uns vielversprechend, geradezu paradiesisch erscheinen, aber eben manchmal auch so weit weg von den Realitäten des Alltags. Utopien haben es schwer in unserer Zeit. Unsere rationale Wissensgesellschaft hat quasi verlernt zu träumen. Bevor wir uns das Paradies beisehnen, zerstören wir es in Dystopien – die dunkle Utopie.
Warum haben wir aufgehört zu träumen?
Bei all der Notwendigkeit sich „Realitäten“ zu stellen, kann es sein, dass wir etwas verpassen, indem wir die Utopie als Träumerei degradieren und somit die vermeintliche Realität als alternativlos darstellen? Was für eine Verkehrung der Machtinstrumente – waren bis in die Aufklärung hinein das Paradies das Disziplinierungsmittel für das untergebene Volk, so kann man heute mit dem Verweis auf die Sachlage neue Ideen als Spinnerei disqualifizieren und die eigene Agenda als alternativlos – von den realpolitioschen Gegebenheiten erzwungen – abtun.
Michael Ende hat in „Die unendliche Geschichte“ davor gewarnt: der Verlust von Phanatsie führt geradewegs ins Nichts. Wie soll die Welt besser werden, wenn wir sie uns nur schlechter vorstellen können oder wollen? Es braucht die Inspiration, es braucht die Phanatsie, es braucht den Traum – einen Fixtern am Himmel, mit dem man durch die Herausforderungen des Alltags, jenen Realitäten navigieren kann und der uns ggf. in den entscheidenden Momente auch andere Wege aufzeigen kann, die wir gehen könnten.
Wir müssen uns eine bessere Welt denken, um zu überleben.
Die Hoods. In „Die Legende von Robin Hood“ bilden sie einen gesellschaftlichen Gegenentwurf. Sie bilden eine Gemeinschaft, in der es nicht um oben und unten geht, sondern um das Wohl aller, in der es nicht darum geht, seine eigenen Wünsche zu verwirklichen, sondern allen, gleich welche Voraussetzung sie mitbringen, Freiheit und Gleichstellung zu ermöglichen. (Zum zu Grunde gelegten Verständnis von Freiheit in einem späteren Post mehr). Es gibt keine*n Anführer*in, deren/dessen Anspruch sich aus Besitz, Erbfolge oder Bestimmung ableitet – Führung ist situativ, dynamisch und zeitlich extrem begrenzt. Führung ist ein Herausfinden darüber, wer in welcher Situation die beste Option für alle ist. Und dabei muss nicht alles konfliktfrei sein. Natürlich gibt es Unterschiede – im Alter, beim Intellekt, bei den körperlichen Fähigkeiten. Und dennoch bekommt jede*r seine Chance und hat gleichzeitig auch immer die Verantwortung für alle.
Das Spannende: so utopisch ist die Gesellschaft dann doch nicht. Denn in indigenen vor-kollonialen Gesellschaften in Nord-Amerika haben sich sehr ähnliche Strukturen herausgebildet (vgl. Graeber/Wengrow: Anfänge – Eine neue Geschichte der Menschheit, 2022).
Es gibt sie also. Die Alternativen. Es ist nicht alles determiniert und wenn ich meine Freiheiten nicht nur zum Konsum nutze, kann ich einen Unterschied machen.
Lasst Utopien wieder zu. Sie werden uns Wege zeigen, bei denen wir schon alle Hoffnung aufgegeben haben.