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DevLog #8 / Titanic auf Speed

Es gibt Rekordpotential: „Everybody knows Titanic“ kann zu einem unser kürzesten abendfüllenden Stücke werden.

Der erste Teil ist zu großen Teilen geprobt und wird mit gut 60 Minuten über die Bühne gehen. Dabei fliegen in rasanter Folge die Szenen über die Bühne, die vielen kleinen Erzählstränge fließen ineinander über und ehe man sich versehen hat, hat „unsere“ Titanic den Eisberg getroffen.

Wer also Sorge hat, dass ähnlich James Cameron’s Umsetzung das Schiff in Echtzeit untergeht und es quälend lange Szenen gibt, darf aufatmen. Denn „Everybody knows Titanic“ wird eine Achterbahnfahrt – satirisch, bissig, grotesk.

Apropos grotesk: wenn du eine Achterbahn durch die Titanic erleben willst, auch das gibt es auf YouTube!

DevLog #07 / Die Probenarbeit kann beginnen

Endlich. Nach monatelanger Suche nach dem richtigen Konzept, nach wochenlanger Arbeit an dem Text – jetz ist es soweit. Wir fangen mit den Proben an.

Die Darsteller:innen haben ihre Figuren erhalten. In den kommenden Monaten wird es darum gehen, diesen Leben einzuhauchen, deren Geschichte und Entwicklungen zu erzählen. Dabei wird es dieses Mal besonders herausfordernd: fast alle Darsteller:innen spielen mindestens zwei Figuren, müssen schnell auf der Bühne die Figur und Handlung wechseln, denn unser Stück ist geprägt von Dynamik, Fluss und Geschwindigkeit.

Endlich. Nach monatelanger Vorbereitung geht es daran, Figuren, die bisher nur in unser Vorstellung exisitierten auf der Bühne entstehen zu lassen. Sie alle sind liebevoll ausgestaltet und es liegt nun in der Verantwortung des Ensembles sie liebevoll umzusetzen.

Jetzt beginnt das Hadern, das Kämpfen, das Entdecken, das Ausprobieren, das Lieben – wer je leidenschaftlich Theater gespielt hat weiß, dass diese Arbeit richtig Spaß macht. Und wenn wir dann in knapp 250 Tagen die Arbeit auch noch zeigen dürfen, dann ist es wieder perfekt gewesen. Für den einen Moment.

Endlich.

Wer spielt wen? Das kannst du hier herausfinden!

DevLog #6 / Eigentlich weiß es jeder

Manchmal dreht sich alles um ein einfaches Wort. Viele Aspekte der Story wurden im Dramaturgie-Team diskutiert, und wir haben meistens schnell Lösungen für offene Fragen gefunden.

Dann stießen wir auf das Wort „eigentlich“. Der vorletzte Satz im Stück ist ein Funkspruch. Die Titanic ist kurz vor dem Untergang, als Harriet Harrolds einen letzten Funkspruch absetzt:

Titanic an alle. SOS. Save our Souls. Wir sinken. Und dies ist unsere eigentliche Geschichte. STOP.

Natürlich ist Harriet Harrolds historisch nicht belegt. Und natürlich wurde nie ein Funkspruch am Ende abgesetzt. Dennoch soll dieser Satz das Wesentliche unserer Geschichte einfangen. Es geht nicht um das historische Ereignis an sich, sondern um die ikonographische Bedeutung der Katastrophe und ihren „eigentlichen“ Kern, das, was sie uns heute noch sagen kann.

Das Wort „eigentlich“ ist kein schönes deutsches Wort. Umgangssprachlich wird es oft relativierend und als Füllwort verwendet, wodurch sein Image weiter leidet. Es geht nicht nur um diesen einen Satz, sondern auch um den Titel, der sich daraus ableitet.

Bei der Suche nach Alternativen sind wir an unsere Grenzen gestoßen. „Die wahre Geschichte“ wäre nicht passend, da unsere Geschichte fiktiv ist. Im Englischen wäre es etwas einfacher gewesen, da das Wort „real“ beide Bedeutungen umfasst: „The real story of the Titanic“.

Wenn man sich verrennt, muss man vielleicht wieder an den Anfang zurückkehren. Eine der ersten Titeladaptionen war „Everybody knows Titanic“. Der Titel spielt auf das Lied „Everybody knows“ von Leonard Cohen an und darauf, dass die Katastrophe vorhersehbar und vermeidbar war.

Daher könnte Harriet am Ende auch funken:

Titanic an alle. SOS. Save our Souls. Wir sinken. Und alle wussten es. STOP.

DevLog#4 / Titanic / Lose Enden

Es könnte auch einfach sein. Aber statt „nur“ 20 Figuren zu erstellen, sind es bei uns 36. Alle brauchen ihre Aufmerksamkeit, alle ihre Motivationen und Handlungen – und die sollten auch nachvollziehbar sein.

Das Schreiben wird dadurch schwieriger. Immer wieder müssen Erzählstränge nei geknüpft werden, die Beziehungen überpüft und analysiert werden, wie sich die Figur – in der kurzen Zeit, die sie hat – entwickelt. All das hat uns etwas zurückgeworfen, denn das Schreiben ist dadurch komplexer geworden.

Aber es lohnt sich (denken wir). Das Stück bekommt durch die Vielzahl an Figuren etwas dynamisch Wimmeliges. Die Szenen sollen ineinander fließen und immer wieder schnell Perpsektiven wechseln.

Ein Licht am Ende des Tunnels ist da: die letzte Szene wartet noch darauf, ausformuliert zu werden. Dann haben wir eine Textversion, mit der es sich ab dem 09.03. in die Probenarbeit einsteigen lässt.

DevLog #3 / Titanic / Story-Design

Seit über hundert Jahren bist du auf der Reise. Jedes Mal treffen wir uns. Jedes Mal sinkst du. Jedes Mal sterben Hunderte. Alle wissen es. Alle.

Eisberg in „Everbody Knows. Titanic.“ von KjG Theater

Wenn wir die Geschichte als reale Fiktion (oder fiktive Realität) sehen, was ist dann die Handlung?
Der Rahmen ist klar: das Schiff fährt los, es trifft den Eisberg, es sinkt. Aber was macht die Handlung aus? Wenn wir „Titanic“ als eine Schlüssel-Ikone für die Katastrophe sehen, dann wird die Handlung das unterstützen müssen. Jetzt wird klar: da wir frei von historischen Zwängen sind, können wir besser zuspitzen. Dabei ist die Handlung tatsächlich inspiriert von historischen Fakten. In fast jedem Handlungsstrang findet sich ein Konzept, das es 1912 gegeben hat. Natürlich, denn dieses Konzept ist die Blaupause der Katastrophe.

Boarding – los geht es mit dem Boarding, den Träumen, Wünschen, Sehnsüchten und auch Motivationen.
Weiter geht es mit dem Leben an Bord – Beziehungen können sich entwickeln, Handlungsstränge werden etabliert, Figuren erhalten ihre Kontur.
Und dann beginnt die Katastrophe. Wie reagieren jetzt die Figuren bis zum Augenblick des Untergangs?
Immer wieder wechseln wir dabei zwischen der ersten und der dritten Klasse. Und eingerahmt wird die Handlung von der Sicht in die Heizer-Räume, zu den 29 Öfen, die den Dampf für den Antrieb erstellen und den Funker-Raum.
Nicht betrachtet wird die Brücke. Den Kapitän als Figur gibt es nicht. Die Katastrophe wird aus der Sicht der Passagiere, der Heizer und der Funker erzählt.

Jetzt dürfen wir zuspitzen, grotesk werden und damit Absurdiäent verdeutlichen, die erschreckende Parallelen in unsere Gegenwart haben. Damit wird unsere Titanic zeitlos.

DevLog#2 – Titanic / Handgefertigte Figuren

Reale Fiktion bzw. fiktive Realität – frei erfunden und doch auf den Grundlagen historischer Ereignisse. So soll das Stück also werden (siehe auch DevLog#1).

Aber wer reist auf unsere Titanic? Insgesamt haben wir 37 Figuren entwickelt. Alle Figuren besitzen eine Hintergrundgeschichte und eine Einstellung zu anderen Figuren. Auf sogenannten Figurenblättern sind alle Informationen zusammengefasst – bis hin zur Frage, wie die Figur am Ende untergeht.

Der Text spielt eine wichtige Rolle in der Inszenierung. Aber noch wichtiger ist das Spiel. Die entwickelten Charakterbögen sollen den Darsteller*innen auch helfen, noch tiefer in die Figur einzusteigen. Denn wir können nicht alles bis ins Detail im Dialog erzählen – wohl aber im Spiel. Damit wird Titanic genau das, was Theater sein soll: mehr als ein geschriebener Text, nämlich ein gespielter Text.

Die Figuren sind nicht historisch, sind jedoch historisch geerdet, soll heißen, ihre Geschichten sind in ähnlicher Art und Weise auch auf der echten Titanic geschehen. Dabei nehmen wir uns die Freiheit und achten nicht einmal auf historische Genauigkeit – so ist plötzlich der Erfinder des Spreiz-Dübels (um 1910) genauso an Bord wie eine Influencerin, die es so auch auf TikTok geben könnte.

Die Titanic schwimmt durch das Meer der unendlichen Zeit. Sie wird immer wieder losfahren, immer wieder den Eisberg treffen, immer wieder sinken. Ihr Mythos ist so stark, dass er auch die kommenden Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, überdauern wird. Unsere Titanic ist besonders, weil sie zuspitzt und das herausarbeiten will, wofür die Tragödie vom 14. April 1912 bis heute steht: den Inbegriff der (technischen) Katastrophe. Sie reiht sich damit ein in unvergängliche Katastrophen wie Pompeji, die Pest oder die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki.

Dev Log#1 / Titanic / Konzeption eines Stücks

Es ist schon beeindruckend, wie viel Literatur, Dokumentationen und Artikel es zur berühmtesten Schiffskatastrophe der westlichen Welt gibt. Warum eigentlich? Weder war der Untergang der Titanic das größte noch das spektakulärste Unglück.

Richtig, die Titanic war ein außergewöhnliches Schiff. Drei Schwestern sollten es sein – die Olympic, die Titanic und die Britannic – letztere sollte die Titanic noch einmal in Ausstattung und Features übertreffen. Es war die Kampfansage der Reederei „White Star Line“ an ihre Konkurrenz. Ein Linienschiff, einem schwimmenden Hotel gleich – was heute nahezu Standard in der Kreuzfahrt ist, war damals ein Paradigmenwechsel. Und sie war für ihre kurze Einsatzzeit das größte menschlich produzierte Objekt auf der Welt.

Viele weitere Superlative würden passen – aber all das rechtfertigt immer noch nicht ihren Mythos. Den versteht man erst dann, wenn man begreift, dass mit ihrem Untergang eine ganze Ära der Millionäre untergegangen ist: Denn die Jungfernfahrt war prominent besetzt, die Schifffahrt etabliert, und das Versprechen der Titanic (und ihrer Schwester-Schiffe) war – immer größer und besser!

Und dann ein Eisberg. Einsam und verlassen stellt er sich in der sternenklaren, dunklen Nacht dem Schiff entgegen, wird viel zu spät entdeckt, und eine Folge von falschen Kommandos besorgt den Rest: all die Träume müssen untergehen. 1.514 Personen starben, teils grausam im eiskalten Atlantik. 712 Menschen überlebten die Katastrophe und konnten berichten. Heldengeschichten entstanden, Gerüchte machten die Runde – der Untergang hat aufgrund der vielen prominenten Verstorbenen ein fulminantes mediales Echo ausgelöst.

Bis heute überleben diese Mythen, auch wenn viele sich in den Augenzeugenberichten nicht wirklich bestätigen lassen. Aber die Erzählung ist zu verführerisch: der menschengemachte Größenwahn zerplatzt an einem simplen Eisberg.

Wir wollen den Opfern dieser Tragödie nicht ungerecht werden. Wir wollen ihnen nicht, der Spannung und Unterhaltung wegen, Worte in den Mund legen, die sie (wahrscheinlich) nie gesagt haben. Und eigentlich wollen wir auch nicht noch einmal ein über 110 Jahre zurückliegendes Unglück historisch rekonstruieren – das haben viele vor uns wahrscheinlich besser gemacht.

Wir wollen die Metapher. Das, wofür die Titanic steht. Ihre Verbundenheit mit jenem unscheinbaren Eisberg, den sie gerammt hat. All die Absurditäten, die stattgefunden haben mögen (und vielleicht sogar haben), noch weiter zuspitzen, um uns vor Augen zu führen: Am Ende kann immer ein Eisberg warten.

Wie gehen wir in der Katastrophe um? Wer überlebt? Wer stirbt? Und wie? Als Metapher für all die unkontrollierten Krisen – vom Klimawandel bis hin zur boomenden KI-Industrie.

Also Fiktion. Pure Fiktion. Die Charaktere – inspiriert von historischen Personen – aber bewusst fiktiv. Keine echten Namen. Kein Vorgaukeln von Pseudo-Historie. Aus Respekt vor den Opfern und angesichts der Katastrophen, auf die wir mit „full steam ahead“ zurasen.

Das wird unsere Titanic. Grotesk. Absurd. Tragisch.