Ein Beitrag von unserer Dramaturgin Michaela
Schon
seit einiger Zeit schwelt in Deutschland eine Debatte zwischen Menschen, denen
die ‚political correctness‘ sehr am Herzen liegt und anderen, die dem Ganzen
mit Unverständnis zuschauen und sich fragen, warum man auf einmal nicht mehr ‚Zigeunerschnitzel‘
sagen darf und ganze Kinderbücher umgeschrieben werden müssen, weil irgendwo
ein vermeintlich rassistisches Wort vorkommt.
Von
diesen Menschen höre
ich oft Argumente wie: „Das hat man früher halt so gesagt, ganz ohne böse Hintergedanken. Da steckt nichts
hinter. Und überhaupt, müssen wir Pippi Langstrumpfs Vater statt Negerkönig jetzt König der Südsee nennen?”
Ich
sage: Ja.
Wir
haben die Verantwortung, unser Sprachverhalten zumindest zu überdenken. Doch
wenn es darum geht, gewisse Wörter
(Zigeuner, Neger, Indianer etc.) nicht mehr zu benutzen, kriegt man von vielen
Menschen schnell zu hören:
„Wenn ich das sage, dann meine ich das ja gar nicht so. Schon gar nicht
rassistisch.”
Das
ist schon einmal sehr gut.
Nur
ist das Problem halt nicht, wie es dir dabei geht, sondern der Person,
die du damit ansprichst. Vielleicht sagst du ja ‚Zigeuner‘ ohne bösen Hintergedanken. Der Nazi nebenan tut es
nicht. Und eine Person, die dich nicht kennt, kann nicht unterscheiden, zu
welchem Lager du gehörst.
Und
im Gegenzug kannst du nicht einschätzen, ob diese Person nicht gerade erst von
wütenden Ausländerfeinden mit demselben Wort beschimpft wurde, das für dich einfach
ein Wort ist, das man schon immer so verwendet hat.
Für
mich gilt: Sprache schafft Realität.
Indem
wir Dinge aussprechen, schaffen wir einen Rahmen. Einen Rahmen dafür, was wir
in unserer Gesellschaft akzeptieren und was nicht. Wenn Wörter, die klare rassistische Ursprünge haben,
akzeptiert sind – egal in welchem Kontext – ist es nur noch ein kleiner
Schritt, bis auch rassistische oder ausgrenzende Handlungen akzeptiert werden.
Deshalb gilt für mich: Als Angehörige einer Mehrheit obliegt mir die Verantwortung, Minderheiten zu schützen. Ganz nach dem Motto: „Gerechte Sprache alleine mag zwar keine gerechte Welt schaffen. Aber durch gerechte Sprache können wir zeigen, dass wir eine gerechte Welt wollen.”
Doch
wie kann es dann sein, dass wir trotzdem in unserem Glöckner von Zigeunern sprechen? Einem Wort, das
zwar Victor Hugo und Disney genutzt haben, aber das Sinti und Roma heute
eindeutig als diskriminierend bezeichnen?
Hier
liegt der Knackpunkt. Es geht in unserem Stück nicht darum, die Ausgrenzungen
von Sinti und Roma, sprich die Ausgrenzung einer gesellschaftlichen
Gruppe, darzustellen. Vielmehr soll das Wort ‚Zigeuner‘ als Sammelbegriff gesehen werden,
der stellvertretend für alle an den Rand gedrängten Gruppen unserer
Gesellschaft steht. Obdachlose, Arbeitslose, Geflüchtete, ehemalige
Strafgefangene, Sinti und Roma, Menschen mit anderen Religionen, Menschen mit anderer
Hautfarbe und anderer Sprache.
Sie
alle sind die Zigeuner, um die es hier geht. Randgruppen, Menschen, denen wir
in unserer Mitte keinen Platz geben wollen.
So
muss man den Begriff in diesem Kontext als Platzhalter verstehen, für all
diejenigen, die auch heute noch genauso ausgestoßen leben müssen wie Esmeralda
und Co. zu Hugos Zeiten und die unter denselben Diskriminierungen leiden.
Somit
wurde die Verwendung dieses Wortes für unser Stück eine Bezeichnung, die
funktioniert.
Trotzdem
gilt am Ende für uns alle: Bitte nicht weitersagen.